Director’s Note
Ich koche gerne, liebe guten Wein und das Ritual, gemeinsam mit Familie oder Freunden zu essen. Aber ein richtiger „Foodie“ war ich nie. Erst der Blick in die Mülltonnen unserer Supermärkte hat mir klargemacht, dass die Art und Weise, wie unsere Lebensmittel produziert und verteilt werden, immer größere Probleme aufwirft. Es war ein Gefühl von Zorn, das mich dazu trieb, „Taste the Waste“ zu machen. Die Reaktion des Publikums hat mir klargemacht, dass auch viele andere Menschen zornig sind über den zunehmend unachtsamen Umgang mit unserem Essen.
Der Verlust unserer Esskultur fängt aber nicht erst bei der Verschwendung an, er beginnt bereits bei der Erzeugung auf dem Feld. Wenn die Nahrungsmittel von immer weiter her kommen, dann wird auch der Blick darauf erschwert, wie sie erzeugt wurden. Dass viele Menschen diese Entfremdung von ihrem Essen beklagen, habe ich in über 100 Diskussionsrunden im Kino und außerhalb erlebt. Sie alle begannen beim Mindesthaltbarkeitsdatum und endeten beim Welthunger.
Es war also ein regelrechter Auftrag von meinem Publikum, dass ich jetzt „10 Milliarden – Wie werden wir alle satt?“ gedreht habe. Schon bei der Recherche wurde mir klar, dass es ein Unbehagen gegenüber den industriellen Methoden der Lebensmittelproduktion und -verteilung gibt, und zwar überall auf der Welt. Und dass immer mehr Menschen versuchen, eine neue Landwirtschaft aufzubauen, die Mensch und Natur respektiert.
Allerdings habe ich mich gefragt, ob das nicht eine romantische Vorstellung ist, die an der harten Realität scheitern muss. Wie sollen wir denn alle ernähren, wenn die Bevölkerung weiter wächst? Und mit dieser Fragestellung bin ich prompt auf die Rhetorik der Agrarkonzerne reingefallen. Das ist mir erst auf meiner Reise so richtig klar geworden, vor allem in den Entwicklungs- und Schwellenländern Thailand, Indien, Malawi und Mosambik.
Dort ist es offensichtlich, dass es nichts bringt, wenn wir einfach nur mehr Lebensmittel erzeugen. Die Menschen müssen auch einen Zugang zu den Lebensmitteln haben. Wir aus den Industrieländern sind üblicherweise in einem Wachstumsdenken gefangen. Einem Kleinbauern aus der Dritten Welt hingegen ist völlig klar, dass es Wachstum gibt, von dem er gar nichts hat, oder sogar Wachstum, das ihm schadet.
Und das ist das eigentlich Unheimliche am Produktivismus: Er bringt eine Landwirtschaft hervor, die sogar noch Hunger macht! Unter dem Deckmantel der Hungerbekämpfung wird die Ernährungssicherheit geringer – weil sie den Kleinbauern das Land wegnimmt, die Grundnahrungsmittel teurer macht und den ganzen Prozess den Zwängen des Weltmarktes unterordnet.
Vielleicht war unser Hauptfehler, dass wir das Essen als eine Ware betrachtet haben wie jede andere. Sie ist aber die Basis unseres Lebens, und sollte eine Sonderrolle haben. Es ist kein Problem, wenn Luxusgüter weltweit gehandelt werden. Aber die Grundversorgung mit Nahrung sollte möglichst aus der eigenen Region oder aus dem eigenen Land kommen. Das ist das Gefühl, mit dem ich aus Südasien und Afrika zurückgekehrt bin und mit dem ich auch in Deutschland eine Stärkung der regionalen Landwirtschaft starten wollte.
Im Juli 2014 haben wir deshalb den Verein „Taste of Heimat“ gegründet. Rund die Hälfte der anwesenden Gründungsmitglieder waren Landwirte. Und jetzt sind wir dabei, einen Ernährungsrat in Köln und Umgebung zu gründen. Zu meinem Erstaunen kannte ich ganz viele Initiativen in meiner eigenen Stadt noch gar nicht. Und ich erlebe noch einmal, dass Essen Menschen verbindet, die aus ganz unterschiedlichen politischen Lagern und
sozialen Schichten kommen.